Die Meinung der Expert:innen

Alison Davidian ist die stellvertretende Vertreterin von UN Women in Afghanistan. Zuvor war sie als „Programme Specialist“ für Governance, Frieden und Sicherheit im Regional Office von UN Women für Asien und den Pazifik tätig und leitete die Umsetzung von Programmen für Governance, Frieden und Sicherheit mit den Schwerpunkten Prävention von gewalttätigem Extremismus, Bekämpfung des Menschenhandels und Zugang zur Justiz.  Von 2013 bis 2017 war sie Politikspezialistin in der Abteilung für Frieden und Sicherheit bei UN Women, wo sie das Portfolio für Übergangsjustiz verwaltete und die Schaffung des Portfolios zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus für UN Women leitete. Vor ihrer Zeit bei UN Women arbeitete sie für Organisationen wie das International Center for Transitional Justice in der Demokratischen Republik Kongo, UNDP in Somalia und den Refugee Advice and Casework Service in Australien.

Alison Davidian, stellvertretende Vertreterin von UN Women in Afghanistan.
© Foto: UN Women/Zarina Faizi

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Frauen in Afghanistan

 

Als die Taliban am 15. August 2021 in Kabul einmarschierten und die Stadt einnahmen, wussten wir sofort, dass sich das Leben für Frauen und Mädchen in Afghanistan ändern würde. In den letzten Monaten haben wir Tag für Tag gesehen, wie sich das Leben von Frauen und Mädchen verändert hat.

Was wir von afghanischen Frauen und Mädchen hören und sehen, ist Angst. Die Frauen erinnern sich an die 1990er Jahre und daran, wie es war, unter der Herrschaft der Taliban zu leben, und diese Angst wurde durch die Tatsache verstärkt, dass die Taliban ihre Haltung zu den Rechten der Frauen nicht deutlich gemacht haben. Sie haben zwar allgemeine Erklärungen abgegeben, dass die Rechte der Frauen im Rahmen des Islam respektiert werden, aber ihre Handlungen haben nicht viel Vertrauen erweckt. Seit der Machtübernahme durch die Taliban wurde ein Kabinett ernannt, dem keine Frauen angehören. Es wurden stellvertretende Minister ernannt, und auch hier waren keine Frauen dabei. Das Ministerium für Frauenangelegenheiten wurde abgeschafft.

In einigen Provinzen werden Frauen aufgefordert, nicht zur Arbeit zu gehen oder ihr Haus nicht ohne einen männlichen Verwandten zu verlassen. Frauenschutzzentren werden angegriffen, und die dort arbeitenden Personen werden schikaniert. Die Kapazitäten der Schutzhäuser für Menschenrechtsverteidiger:innen, einschließlich Aktivist:innen und Journalist:innen, sind erschöpft.

Die Lage für Frauen und Mädchen im Land ist düster, aber wir sehen immer wieder Frauen, die für ihre Rechte kämpfen und Gleichberechtigung fordern. Daran hat sich nichts geändert, und daran wird sich auch nichts ändern. Afghanische Frauen stehen seit Jahrhunderten an vorderster Front im Kampf um ihre Rechte. Afghanische Frauen hatten 1919 das Wahlrecht, noch bevor die Vereinigten Staaten den Frauen das Wahlrecht gewährten. Im Jahr 1921 wurde die erste Schule für Mädchen gegründet. In der Verfassung von 2004 ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich gezeigt, dass der Einsatz der afghanischen Frauen sowohl für den Frieden als auch für die Entwicklung des Landes von entscheidender Bedeutung war.

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UN Women in Afghanistan

 

UN Women in Afghanistan hat sich verpflichtet, für afghanische Frauen und Mädchen da zu sein und sie zu unterstützen. Das bedeutet in erster Linie, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Rechte der Frauen geschützt und gefördert werden und dass über afghanische Frauen nicht nur gesprochen wird, sondern dass sie auch direkt gehört werden. Die Augen der Welt sind jetzt auf Afghanistan gerichtet, aber das wird nicht ewig so bleiben. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der internationalen Gemeinschaft, auf die Situation von Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen, auch wenn die Kameras nicht mehr laufen. „Advocacy“ bedeutet auch, dafür zu sorgen, dass Frauenrechtsverteidigerinnen über Ressourcen und Schutz verfügen – ein entscheidender Faktor für Frieden und Sicherheit in jedem Land.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Arbeit von UN Women ist die Unterstützung der weiblichen Zivilgesellschaft und der Frauenbewegung in Afghanistan. Wir wissen, dass Frauenorganisationen „Motoren“ des Fortschritts und der Rechenschaftspflicht sind, aber dass Frauenrechtsorganisationen nur weniger als ein Prozent der Entwicklungshilfe aus dem Ausland erhalten [1]. Wir müssen diesem Trend entgegenwirken, indem wir strategisch und gezielt in Organisationen der weiblichen Zivilgesellschaft investieren.

 

 

© Grafik von UN Women

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Einfluss von Covid-19 auf Gewalt an Frauen

 

UN Women setzt sich dafür ein, dass Frauen Zugang zu lebenswichtigen Diensten haben, einschließlich Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Wir wissen, dass afghanische Frauen eine der höchsten Raten von Gewalt weltweit erleben, und die meiste Gewalt findet im häuslichen Bereich statt [2]. Neun von zehn afghanischen Frauen erleben im Laufe ihres Lebens mindestens eine Form von Gewalt durch Intimpartner, und das war vor COVID-19 [3]. Die Pandemie hat zu einem Anstieg der Gewalt gegen Frauen auf der ganzen Welt geführt, auch in Afghanistan. UN Women wird weiterhin mit ihren Partner:innen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Dienste zur Verfügung stehen, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern und darauf zu reagieren.

Schließlich arbeitet UN Women mit dem humanitären System in Afghanistan zusammen, um eine geschlechtsspezifische humanitäre Reaktion auf die Konflikte und COVID-19 – zu gewährleisten. Das bedeutet, dass die Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Frauen und Mädchen erfüllt werden, dass Frauen in vollem Umfang an der Gestaltung und Durchführung der humanitären Hilfe teilnehmen können und dass datengestützte Erkenntnisse und Analysen genutzt werden, um sicherzustellen, dass die Hilfe für Frauen und Mädchen effektiv ist. In Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Frauenorganisationen und weiblichen Führungspersönlichkeiten wird UN Women nationalen und internationalen Akteuren, die im Land tätig sind, datengestützte Analysen zur Verfügung stellen, indem sie monatliche Umfrageergebnisse veröffentlicht, die sich mit den Auswirkungen der Taliban-Herrschaft auf Frauen und Mädchen, den Auswirkungen auf soziale und geschlechtsspezifische Normen sowie den Folgen für den Zugang von Frauen zu humanitären Diensten befassen.

Afghanistan ist mit einer Krise konfrontiert, wie es sie vielleicht noch nie zuvor gegeben hat. Die Hälfte der Bevölkerung ist in irgendeiner Form auf humanitäre Hilfe angewiesen [4]. Ein Drittel weiß nicht, woher sie ihre nächste Mahlzeit bekommen werden [5]. Es besteht die Gefahr einer nächsten COVID-19-Welle, da die Gesundheitsinfrastruktur zusammenbricht.

Der einzige Weg für Afghanistan, diese Herausforderungen zu meistern, besteht darin, sicherzustellen, dass alle Menschen, Männer und Frauen, an Bord sind, um gemeinsam einen Weg durch die Krise und die Katastrophe zu finden. Die uneingeschränkte Beteiligung und Führungsrolle von Frauen im öffentlichen und politischen Leben ist entscheidend für die Zukunft und die langfristige Entwicklung Afghanistans, für die Erhaltung des Friedens und für die Schaffung einer dynamischen Wirtschaft, die sich von jeder Krise erholen kann.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich von UN Women veröffentlicht.