In einer Welt, in der Macht und Wahlmöglichkeiten durch das Geschlecht bestimmt werden, werden täglich Millionen von Mädchen durch die schädlichen Praktiken der Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung sowie der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, kurz: FGM) ihrer Kindheit, ihrer Bildung, ihrer Gesundheit und ihrer Hoffnungen beraubt. In vielen Gemeinschaften gehen Frühverheiratung und Genitalverstümmelung Hand in Hand, weil sie glauben, dass die Beschneidung eines Mädchens ihre Heiratsfähigkeit erhöht.
Mehr als 200 Millionen der heute lebenden Frauen und Mädchen in 31 Ländern haben Genitalverstümmelungen erlitten, obwohl kleinere Studien, Medienberichte und anekdotische Hinweise darauf hindeuten, dass FGM in mehr als 90 Ländern vorkommen könnte.
Im Jahr 2021 waren weltweit 4,16 Millionen Mädchen und Frauen von Genitalverstümmelung bedroht. Darüber hinaus könnte es aufgrund der COVID-19-Pandemie bis zum Jahr 2030 bis zu 2 Millionen zusätzliche Fälle von Genitalverstümmelung geben, die andernfalls verhindert worden wären.
Anlässlich des Internationalen Tages der Nulltoleranz für weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar fordern Überlebende und Aktivist:innen Mitspracherecht, Wahlfreiheit und Kontrolle für jedes Mädchen und jede Frau über ihr eigenes Leben und ihren Körper.
Genitalverstümmelung ist...
„die teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren weiblichen Genitalien oder eine andere Verletzung der weiblichen Genitalien aus nichtmedizinischen Gründen“.
Sie hat keine gesundheitlichen Vorteile, aber die unmittelbaren und langfristigen gesundheitlichen Folgen sind zahlreich: Dazu gehören Infektionen und abnorme Narbenbildung, lähmende Schmerzen oder Tod.
Eine gemeindebasierte Organisation im ländlichen Kenia, die Mädchen stärkt
Natalie Robi Tingo, 28, ist Gründerin und Geschäftsführerin von Msichana Empowerment Kuria, einer von Frauen geführten, gemeindebasierten Organisation im ländlichen Kenia, die sich seit 2015 für die Beendigung von FGM einsetzt, indem sie die Ursachen bekämpft und Frauen und Mädchen stärkt.
Natalie wurde in der Gemeinde Kuria im Südwesten Kenias geboren. Als sie aufwuchs, war sie mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie andere Mädchen in ihrer Gemeinde. „Genitalverstümmelung ist in Kuria eine soziale Norm, so wie man anklopfen muss, wenn man zu jemandem nach Hause kommt. Da ich das erstgeborene Mädchen in meiner Familie war, wurde erwartet, dass ich beschnitten werden würde. [Weil] meine Eltern beide gebildet waren, wurden meine Schwester und ich verschont“, sagt sie.
Sie ist der Meinung, dass junge Mädchen dabei gefördert werden sollten, ihre Gemeinschaften zu verändern. „Von klein auf wird vielen Mädchen vermittelt, dass FGM eine Verpflichtung gegenüber ihren Eltern und der Gemeinschaft ist. Sobald Mädchen verstehen, dass das, was mit ihnen geschieht, falsch ist, können sie für sich selbst kämpfen und andere retten. Ich habe das erlebt. Wir müssen daher weiterhin die Stimmen der Mädchen in den Mittelpunkt stellen“.
„Warum wird uns gesagt, dass wir als Mädchen Ehre bringen, wenn wir beschnitten werden?“, fragt Natalie. „Das ist nicht die Wahrheit. Es ist sehr schmerzhaft, manche Mädchen sterben. Oder wir werden verheiratet. Unser Leben wird uns im Grunde weggenommen.“
JETZT WEIBLICHE GENITALVERSTÜMMELUNG STOPPEN
Eine Überlebende schützt ihre Tochter und erzieht ihre Söhne in Ägypten
Aamal Ahmed* – Ehefrau und Mutter eines 11-jährigen Mädchens und dreier Jungen im Alter von 15, 18 und 19 Jahren – lebt im Gouvernement Kairo, Ägypten. Als Amal 10 Jahre alt war, wurden sie und ihre Schwester von ihrer Familie dazu gebracht, sich einer Genitalverstümmelung zu unterziehen. Seit dieser Erfahrung ist ihr Leben nicht mehr dasselbe.
Die psychologischen Narben von FGM sitzen noch tiefer.
„Ich habe jetzt vier Kinder, für die ich beschlossen habe, weiterzumachen. Ich erkläre meinen Jungen, dass der Respekt vor Frauen ein Muss ist und dass wir nicht unreflektiert [schädliche] kulturelle Gewohnheiten übernehmen sollten. Meine Söhne verstehen die Folgen von FGM. Sie lehnen sie ab“, sagt Aamal.
„Als mein Mann und meine Mutter mir sagten, meine Tochter solle sich einer Genitalverstümmelung unterziehen, habe ich mich geweigert. Ich habe meiner Mutter gesagt: ‚Ich werde nicht das Leben meines Mädchens zerstören und sie töten.'“
„Ich wünsche mir, dass alle Menschen auf der Welt die schrecklichen physischen und psychischen Folgen von FGM erkennen, damit es ein Ende hat – jetzt.“
*Der Name wurde geändert, um ihre Identität zu schützen.
„Ich war erst 10 Jahre alt, aber ich kann mich noch an jeden einzelnen Moment erinnern. Ohne Betäubung wurde ich gezwungen, eine traumatische Erfahrung zu machen, die nicht nur körperliche, sondern auch psychische Narben hinterließ. Ich kann die unerträglichen Schmerzen und die Angst, die ich empfand, nicht beschreiben. Ich habe so laut geschrien, aber niemand schien mich zu hören. Mein Leben wurde auf den Kopf gestellt. Ich war nie in der Lage, ein normales Leben zu führen.“
UN Women arbeitet mit traditionellen und religiösen Leiter:innen in ganz Afrika zusammen, um FGM zu beenden.
Beitragsbild: Das Gambia Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children (GAMCOTRAP), eine vom UN Trust Fund to End Violence against Women unterstützte Interessengruppe, hält im Februar 2016 einen Anti-FGM-Workshop ab, der Frauen befähigen soll, ihre Rechte und die ihrer Töchter einzufordern. Credit: UN Trust Fund to End Violence against Women
Dieser Beitrag wurde ursprünglich von UN Women veröffentlicht.
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