Wir hatten das Privileg, Gerhard Wagner, MSc, Obmann von HeForShe Vienna und Gender Balance und Diversitätsmanager der Wiener Stadtwerke-Gruppe, im Rahmen eines Round Tables am 12. Dezember 2023 zu den Themen Gewaltprävention und Geschlechtergerechtigkeit zu begrüßen. Gerhard Wagner hat einen betriebswirtschaftlichen und sozioökonomischen Hintergrund und brachte seine langjährige berufliche Erfahrung in den Bereichen Diversitäts- und Gleichstellungsfragen ein.

Der Round Table bot einen tiefen Einblick in die Herausforderungen, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist, insbesondere hinsichtlich der allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen. Wagner betonte die Notwendigkeit ernsthafter Bemühungen auf gesellschaftlicher und unternehmerischer Ebene, um nachhaltig gegen diese Gewalt vorzugehen.

Ein besonderes Augenmerk lag auf der Rolle der UN Women-Kampagne HeForShe und der Verantwortung österreichischer Unternehmen. Wagner präsentierte Lösungsansätze, die von alternativen Männlichkeitsbildern bis hin zu einer klaren Null Toleranz-Haltung in Organisationen reichen.

Ich bin mir unsicher, wie ich mich fühlen soll, wenn ich über dieses Thema reden muss. Zum einen finde ich es traurig, dass wir nach wie vor darüber reden müssen, zum anderen freue ich mich, als Mann meine Stimme erheben zu können und Teil der Lösung zu sein.“

So lautete der Einstieg von Gerhard Wagner.

Die erschreckende Statistik von 26 Femiziden und 41 Mordversuchen noch vor Jahresende 2023 verdeutlichte die Dringlichkeit des Problems. Wagner hob hervor, dass trotz gestiegenem Bewusstsein und Sensibilität in den Medien immer noch Verharmlosung und Mitschuldzuweisung an Frauen stattfinden.

Im Nationalrat finden wir eine Höchstzahl an weiblichen Abgeordneten, der Frauenanteil liegt aber dennoch lediglich bei 39,9 %. In der Kommunalpolitik hingegen sinkt der Frauenanteil, denn von 2.093 Bürgermeister:innen sind nur 10,5 % Frauen. In den Spitzenpositionen der 200 umsatzstärksten Unternehmen finden wir 78 % Männer. Eine strukturelle männliche Dominanz wurde sohin nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft aufgezeigt, und es wurde konstatiert, dass wir noch weit von einer geschlechtergerechten Gesellschaft entfernt sind.

Wenn Männer über diese Thematik befragt werden, lässt sich ein andere Wahrnehmung verzeichnen: Laut Ipsos Austria (2023) geben 57 % der Männer in Österreich an, dass in Sachen Gleichstellung bereits genug getan wurde. 60 % der befragten Männer finden, dass von Männern zu viel erwartet wird, um die Gleichstellung zu unterstützen. Zusammengefasst bedeutet das, dass wir nicht ausreichend Männer mit am Bord haben, wenn wir eine geschlechtergerechte Gesellschaft erreichen wollen.

Eine Emanzipation der Männer hat folglich nicht in ausreichendem Ausmaß stattgefunden. Es zeigen sich traditionelle Männlichkeitsbilder, die mit folgenden Worten umschrieben werden: stark, risikofreudig, Dominanz, emotionslos, mutig, erfolgreich, Familienernährer, kontrolliert. Derartige Zuschreibungen höre man auch in Workshops, wenn man mit jungen Männern zusammenarbeitet.

Dass die Einschätzungen von Frauen und Männern oft weit auseinanderliegen zeigt die Erhebung „Spannungsfeld Männlichkeit“ von Plan International (2023), derzufolge 51 % der Männer der Überzeugung sind, sie seien schwach und angreifbar, wenn sie Gefühle zeigen. Hingegen fänden 85 % der Frauen, dass Männer mehr über ihre Gefühle sprechen sollten.

Ein problematisches Männlichkeitsbild wie die „hegemoniale Männlichkeit“ (Raewyn Connell) baut auf Unterdrückung von Weiblichkeit und reproduziert sich über Abwertungs- und Abgrenzungsmöglichkeiten. „Doing masculinity“ ist das ständige Beweisen der eigenen Männlichkeit – auf Kosten der Frauen und der eigenen Gesundheit. Schließlich äußert sich das Dominanzstreben durch unterschiedliche Formen von Gewalt. Gerhard Wagner ist sich sicher: „Wenn wir ein Ende von Gewalt haben möchten, müssen wir das Verständnis von Männlichkeit ändern – es braucht neue Männlichkeitsbilder.“ Der Vortragende unterstrich damit die Notwendigkeit neuer, gewaltfreier Männlichkeitsbilder und betonte die Bedeutung einer „caring masculinity“.

 

Positiv ist, dass es diese gewaltfreien und modernen Männlichkeitsbilder bereits gibt. Darüber hinaus gibt es auch unter den Männern Vorbilder (z. B. fürsorgliche Väter, unterstützende Freunde, männliche Bezugspersonen, die bereits ein anderes Männlichkeitsbild vorleben etc.).

Eines steht fest: Es braucht mehr Männer, die sich fragen, ob sie Teil einer Lösung werden oder Teil eines Problems bleiben wollen. HeForShe wurde als vorbildliche globale Kampagne hervorgehoben, die Männer aktiv einbindet die bereits alternative Männlichkeitsbilder vorleben und somit zu einer gewaltfreien Gesellschaft beitragen.

Überdies spielen auch Unternehmen eine entscheidende Rolle, wie am Beispiel der Wiener Stadtwerke-Gruppe deutlich wurde, die eine klare Null-Toleranz-Haltung kommuniziert, interne Unterstützungsstrukturen etabliert und Vertrauenspersonen schafft. Unterschiedliche interne Anlaufstellen sind insbesondere wichtig, um die Dunkelziffer von sexueller Gewalt, Mobbing und Diskriminierung zu reduzieren.

Die Diskussion endete mit spannenden Fragen, darunter diejenige, wie man Männer stärker in Veranstaltungen zur Gewaltprävention einbindet. Wagner schlug vor, Formate in Frauennetzwerken für Männer zu öffnen und Frauen die Möglichkeit zu geben, Personen ihrer Wahl in geschützte Räume einzuladen.

Diese Zusammenfassung des Round Tables reflektiert die Dringlichkeit der Themen und unterstreicht die Notwendigkeit, Männer stärker in die Verantwortung zu nehmen. Wir danken Gerhard Wagner für seine wertvollen Einblicke und sind nun mehr denn je überzeugt, dass Geschlechtergleichstellung und Gewalt an Frauen eine Angelegenheit ist, die alle betrifft und gemeinsam angegangen werden muss – und das 365 Tage im Jahr!