
Female Genital Mutilation (FGM), zu Deutsch weibliche Genitalverstümmelung, stellt in vielen Ländern nach wie vor eine traditionell verankerte Praxis dar. Laut UN Women sind weltweit ca. 230 Mio. Frauen und Mädchen in 31 Ländern von diesem Eingriff betroffen, der mit schweren körperlichen und psychischen Schmerzen sowie Langzeitfolgen verbunden ist. Darüber hinaus sind laut Schätzungen 27 Mio. Mädchen zusätzlich gefährdet, in den nächsten 5 Jahren von FGM betroffen zu sein.
Allein 2025 kommen voraussichtlich 4 Mio. neue Fälle dazu – wobei jedes einzelne Schicksal mit unsäglichem Leid verbunden ist.
In unserem Round Table am 20. März 2025 durften wir den Executive Director von UNICEF Österreich, Christoph Jünger und Beate Dastel begrüßen, die als UNICEF Representative von Djibouti tätig ist. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, setzt sich – unter anderem in gemeinsamer Initiative mit UN Women und UNFPA – für die Abschaffung von FGM ein und unterstützt Länder dabei, entsprechende Gesetze zu erarbeiten und umzusetzen.


Christoph Jünger beschreibt, dass FGM in vielen Ländern Afrikas, Asiens und des Nahen Ostens eine tief verwurzelte Tradition darstellt, von der vor allem Mädchen und junge Frauen bis 15 Jahre betroffen sind. Die Folgen seien starke Schmerzen, starke Blutungen, chronische Schmerzen, lebensgefährliche Infektionen, Unfruchtbarkeit, psychische Folgen wie Schlafstörungen, Angststörungen etc. Es handle sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung und Kinderrechtsverletzung.
Um die in den Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) angestrebte Zielsetzung zu erreichen, bis zum Jahr 2030 weibliche Genitalverstümmelung zu beseitigen, müsste der Rückgang von FGM um 27 Mal schneller sein als bisher. Es sei absehbar, dass das Ziel verfehlt werde. Angesichts der aktuellen politischen Situation, in der es zu vielen Einsparungen z.B. im Bereich der Nothilfe komme, sei es auch fraglich, ob der derzeitige Status überhaupt aufrechterhalten werden könne. Lediglich 7 Länder könnten nach jetzigem Stand die Ziele erreichen.
Christoph Jünger betont: „Jedes einzelne Schicksal ist es wert, dass wir uns intensiv damit auseinandersetzen.“
Es gäbe auch Positives zu berichten: Seit 2008 konnten 7 Mio. Frauen in Programmen erreicht und ihnen Zugang zu Präventions- und Schutzmaßnahmen ermöglicht werden. 48 Mio. Menschen hätten öffentlich erklärt, die Praxis aufzugeben, 112.000 Aktivist:innen und 12.000 Basisorganisationen seien involviert im Kampf gegen FGM.
Beate Dastel berichtet von ihren Erfahrungen als UNICEF Representative von Djibouti. Dort seien vor 20 Jahren ca. 90 % der Frauen und Mädchen beschnitten gewesen, in den letzten Jahren habe sich der Anteil reduziert auf ca. 70 % „Ein großer Erfolg, aber immer noch viel zu viel.“ Weibliche Genitalverstümmelung sei zwar inzwischen verboten, betreffe aber nach wie vor alle Bevölkerungsschichten und sei seit Jahrhunderten in der Gesellschaft verankert.
Es gäbe eine gute Zusammenarbeit u. a. mit dem Familien- und Frauenministerium, Gesundheitsministerium, mit NGOs, der Zivilbevölkerung und religiösen Autoritäten. Wichtig sei die Betonung, dass FGM weder Teil des Korans noch Teil einer anderen Religion sei. In Schulen und Gemeinden wird wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet, um von Jugendlichen über Eltern bis zu Dorfältesten alle Generationen in den Einsatz gegen FGM einzubinden. Oftmals ziehe sich der Streit bzgl. FGM durch die Familien. Gerade in den älteren Generationen sei die Praxis tief verwurzelt und oft seien es die Großmütter, die Druck ausüben, die Mädchen zu beschneiden.

Wichtig sei auch für Beschneiderinnen Wege für andere Einkünfte zu finden, z. B. gäbe es ehemalige Beschneiderinnen, die sich inzwischen im Kampf gegen FGM engagieren. Besonders wichtig sei auch die Einbindung der Männer. „Auch die Männer leiden“. Gerade die jüngere Generation sei aufgeschlossen, nicht mehr an der Tradition festzuhalten. Wichtig und wünschenswert wäre es, Mittel für die Wiederherstellung, Reparation und Heilung zu erhalten, sodass bereits betroffenen Mädchen und Frauen geholfen werden könnte.