Fast acht von zehn jungen Afghaninnen sind von Bildung, Arbeit und Ausbildung ausgeschlossen

UN Women veröffentlicht den Afghanistan Gender Index 2024 – die umfassendste Studie zu Frauenförderung und Geschlechtergerechtigkeit seit der Machtübernahme der Taliban.

New York, 17. Juni – Fast vier Jahre nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 zeigt ein neuer Bericht von UN Women, dass afghanische Frauen deutlich hinter den globalen Standards für menschliche Entwicklung zurückbleiben.

Der Afghanistan Gender Index, die bislang umfassendste Analyse zur Stärkung von Frauenrechten und zur Gleichstellung der Geschlechter seit der Rückkehr der Taliban an die Macht, belegt: Afghanistan weist die zweitgrößte Geschlechterkluft weltweit auf – mit einer Diskrepanz von 76 % zwischen den Lebensrealitäten von Frauen und Männern in den Bereichen Gesundheit, Bildung, finanzielle Teilhabe und Mitbestimmung.

Der Index zeigt außerdem, dass afghanische Frauen im Durchschnitt nur 17 % ihres vollen Potenzials ausschöpfen können, um Entscheidungen zu treffen und Zugang zu Chancen zu erhalten. Im weltweiten Vergleich erreichen Frauen durchschnittlich 60,7 % ihres Potenzials.

Von UN Women unterstützter Milch-Sammelpunkt im Dorf, an dem Frauen ihre Milch lokal verkaufen können. Bezirk Dara-i-Noor, Provinz Dschalalabad, Afghanistan, 2025. Foto: UN Women / Sayed Habib Bidell

„Afghanistans größte Ressource sind seine Frauen und Mädchen“, sagte UN Women-Exekutivdirektorin Sima Bahous.
„Ihr Potenzial bleibt ungenutzt – und dennoch geben sie nicht auf. Afghanische Frauen unterstützen einander, führen Unternehmen, leisten humanitäre Hilfe und erheben ihre Stimmen gegen Ungerechtigkeit. Ihr Mut und ihre Führungsstärke gestalten ihre Gemeinschaften neu – trotz massiver Einschränkungen. Wir müssen sie unterstützen in ihrem Einsatz für ein Land, das ihre Rechte und die Hoffnungen aller Afghaninnen und Afghanen widerspiegelt.“

Laut dem Bericht von UN Women, der mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union erstellt wurde, sind 78 % der jungen afghanischen Frauen weder in Bildung, Arbeit noch Ausbildung – fast viermal so viele wie bei jungen Männern.

Die Schulabschlussquote für Mädchen auf Sekundarschulniveau wird bald auf null fallen, da der Zugang zu weiterführender und universitärer Bildung – einschließlich medizinischer Ausbildung – für Mädchen und Frauen vollständig verboten wurde.

Afghanistan hat weiterhin eine der größten geschlechtsspezifischen Erwerbslücken weltweit: Nur 24 % der Frauen nehmen am Arbeitsmarkt teil – im Vergleich zu 89 % der Männer. Frauen arbeiten häufiger im häuslichen Umfeld, in unsicheren und schlechter bezahlten Jobs. Zudem leisten sie einen unverhältnismäßig großen Anteil an unbezahlter Hausarbeit: 74 % der Frauen verbringen viel Zeit mit Haushaltsaufgaben – gegenüber nur 3 % der Männer.

Auch beim Zugang zu Finanzdienstleistungen zeigt sich eine drastische Kluft: Männer sind fast dreimal häufiger im Besitz eines Bankkontos oder nutzen mobile Bezahldienste als Frauen.

Trotz der allgemeinen Beschränkungen für arbeitende Frauen gibt es begrenzte Ausnahmen – und der Bericht zeigt, dass sich afghanische Frauen in Rekordzahlen dem Arbeitsmarkt anschließen, getrieben von langanhaltenden wirtschaftlichen und humanitären Krisen. So hat sich bis 2022 die Zahl der arbeitslosen Frauen, die aktiv nach Arbeit suchen, vervierfacht, während sich die Zahl der erwerbstätigen Frauen verdoppelt hat – verglichen mit der Zeit vor der Taliban-Machtübernahme.

Keine einzige Frau hat eine Position im faktischen Kabinett oder in lokalen Verwaltungsstrukturen inne – ein Rückschritt, der die Möglichkeit von Frauen, Gesetze und politische Entscheidungen mitzugestalten, stark einschränkt.
Doch obwohl sie aus dem öffentlichen und politischen Leben nahezu vollständig verdrängt wurden, kämpfen afghanische Frauen weiter für eine inklusive Regierungsführung und suchen Wege, ihre Anliegen auf nationaler und lokaler Ebene vorzubringen.

Der Gender Index soll künftig helfen, die Entwicklung der Geschlechtergerechtigkeit in Afghanistan messbar zu machen und die Arbeit nationaler und internationaler Akteure zur Bewältigung der anhaltenden Frauenrechtskrise zu unterstützen.

UN Women setzt seine Arbeit vor Ort fort, um sicherzustellen, dass die Prioritäten und Bedürfnisse afghanischer Frauen und Mädchen im Zentrum der internationalen Reaktionen bleiben – und sie ein Leben in Würde führen und zum Aufbau ihres Landes beitragen können.