Während ihrer Rede anlässlich des virtuellen Events #EndSGBV (veranstaltet von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Norwegen und Somalia am Rande der Generaldebatte der Vollversammlung der Vereinten Nationen) äußerte sich die 2018 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Nadia Murad kritisch zu den nur langsam fortschreitenden Anstrengungen zur Beendigung von sexueller Gewalt als Kriegsstrategie.

“We must critically look at what we did well, where we can be really proud because we have made a true difference, but also, be honest and transparent on where we missed opportunities to stop gender-based violence and truly be there for victims.” (Nadia Murad)

Auf Überlebende-fokussierter Zugang

Die Einführung des Global Survivors Fund und des Murad Codes, ein Dokument, welches Informationen von Überlebenden von sexueller Gewalt in Kriegsgebieten zusammengetragen hat, bezeichnete Nadia Murad als die derzeit bedeutendsten Errungenschaft in diesem Bereich.

In Nachkriegsgebieten wie beispielsweise dem Irak, so Murad, sollten Überlebende eine bedeutendere und aktive Rolle im Prozess der Friedensbildung spielen! „Überlende wissen am besten was sie brauchen um sich gesundheitlich und psychisch zu erholen.“ Teilhabe an diversen Aspekten des Wiederaufbaus befähigt betroffene Frauen zu Empowerment.

Bedrohung von JesidInnen ‘praktisch unverändert’

Vor allem Jesiden, welche vorwiegend in Gebieten des nördlichen Irak zuhause sind und die 2014 Opfer von Übergriffen und Genoziden durch IS-Kämpfer und Da’esh Terroristen wurden, leiden besonders unter dem internationalen Widerwillen stärker zu handeln. Deren Situation hat sich seit 2014 praktisch nicht verändert, so Muard. Hunderttausende heimatvertriebene Jesiden sind derzeit in Camps nur mangelhaft untergebracht – eine besondere Bedrohung vor allem vor der aktuell bestehenden COVID-19 Pandemie. Ihre zerstörte Heimat Sinjar bietet kaum Infrastruktur um die Bedürfnisse der Menschen zu stillen. Weder eine stabile lokale Regierung noch Sicherheitskräfte können für den gleichen Schutz aller garantieren. Vor diesem Hintergrund können Jesiden nicht sicher zurückkehren.

View of the Kabarto refugee camp, now home to many of the Yazidi forced to flee the city of Sinjar, over-run by ISIS, in August 2014, by Reza / Webistan (c) UN News

2.800 Frauen und Kinder noch in der Gewalt des IS

Noch immer leiden tausende Jesidinnen täglich unter sexueller Gewalt durch IS-und Da’esh Kämpfer. Über 2.800 Frauen und Kinder befinden sich noch in deren Gewalt und leben in Gefangenschaft. Jene erleben sexuelle Gewalt und Sklaverei täglich nun bereits über sechs Jahre.

“It is incredibly disheartening to understand no collective search and rescue efforts have been made by the Iraqi Government or the United Nations to find these women and children. Make no mistake, the global community has abandoned over 2,800 human beings.” (Nadia Murad)

Moralische Notwendigkeit

Es liegt in der Verantwortung der irakischen Regierung, der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft unverzüglich Schritte zur Rettung der betroffenen Frauen und Kinder einzuleiten, so Murad. „Alles andere ist untragbar.“ Jesidische Familien können ihr Leben ohne die Gewissheit um die fehlenden Familienmitglieder nicht wieder aufnehmen. „Lassen Sie mich eines klarstellen: es ist eine moralische Notwendigkeit auf die Bedürfnisse anderer einzugehen.“

Aufruf zum Wiederaufbau von Sinjar

Auch auf die von ihr ins Leben gerufene Nadia’s Initiative ging Nadia Murad in ihrer Rede ein und betonte, dass NGOs nicht im Alleingang Nachkriegsgesellschaften im Aufbau unterstützen können. Den Irak drängte Murad zum Aufbau von Sinjar, zur Bereitstellung von  Reparationszahlungen an Überlebende und zur Stabilisierung von lokalen Regierungen. Untersuchungen wurden bereits eingeleitet, Beweise gesichert und Aussagen von Überlebenden eingeholt – Gerechtigkeit muss nun eintreten.

Es liegt nun an der irakischen Regierung und an der internationalen Gemeinschaft IS- und Da’esh Täter zur Rechenschaft zu ziehen – für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Genoziden. JesidInnen und andere Communities, die von IS- und Da’esh Gewalt betroffen waren/sind, verdienen internationale Unterstützung!

Hier finden Sie die virtuelle Rede von Nadia Murad in voller Länge.