Neue Daten zeigen, dass nur eines von je acht Ländern weltweit Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen getroffen hat.

Der neu eingeführte COVID-19 Global Gender Response Tracker von UN Women und UNDP zeigt, dass bei der Reaktion auf die Pandemie in den Bereichen Sozialschutz und Beschäftigung die Bedürfnisse von Frauen weitgehend außer Acht gelassen wurden.

Die meisten Staaten der Welt tun nicht genug, um Frauen und Mädchen vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Krise zu schützen. Das geht aus neuen Daten hervor, die UN Women und UNDP am 28.09.2020 im Rahmen des COVID-19 Global Gender Response Tracker veröffentlicht haben.

Der Tracker, der über 2.500 Maßnahmen in 206 Ländern und Territorien umfasst, analysiert speziell Regierungsmaßnahmen mit einer Gender-Linse in drei Bereichen: solche, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen bekämpfen, unbezahlte Pflege unterstützen und die wirtschaftliche Sicherheit von Frauen stärken.

Die Ergebnisse signalisieren, dass 42 Länder – ein Fünftel (20 Prozent) der Analysierten – überhaupt keine geschlechtersensiblen Maßnahmen als Reaktion auf COVID-19 getroffen haben. Nur 25 Länder – 12 Prozent der Welt – haben Maßnahmen eingeführt, die alle drei Bereiche abdecken. Dazu können z.B. die Bereitstellung von Beratungsstellen, Schutzräumen oder gerichtlichen Maßnahmen zählen, um dem Anstieg der Gewalt gegen Frauen und Mädchen während der Pandemie entgegenzuwirken. Des Weiteren können auch Geldtransfers, die sich direkt an Frauen richten, die Bereitstellung von Kinderbetreuungsangeboten oder bezahlte Familien- und Krankheitsurlaube dazu gehören.

Die COVID-19-Krise bietet den Ländern die Gelegenheit, bestehende Wirtschaftsmodelle in Richtung eines erneuerten Gesellschaftsvertrags zu transformieren, der soziale Gerechtigkeit und Geschlechtergleichheit priorisiert.

Dieser neue Gender Response Tracker kann helfen, politische Reformen zu beschleunigen, indem er auf Lücken in den nationalen Bemühungen und der Finanzierung hinweist und Best Practices hervorhebt.

Achim Steiner

Administrator, UNDP

Es ist klar, dass die COVID-19-Pandemie Frauen hart trifft – als Betroffene häuslicher Gewalt, die mit ihren Tätern eingesperrt sind, als unbezahlte Betreuerinnen in Familien und Gemeinden und als Arbeitnehmerinnen in Berufen, die keinen sozialen Schutz bieten. Der Global Tracker unterstützt Regierungen dabei, die richtigen politischen Entscheidungen zu treffen, indem er bewährte Praktiken austauscht und den Fortschritt in der Betreuungspolitik und bei Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen überwacht.

Phumzile Mlambo-Ngcuka

Exekutivdirektorin, UN Women

Die neuen Daten zeigen, dass die Regierungen ihre geschlechtsspezifischen COVID-19-Bemühungen in erster Linie auf die Prävention von und/oder die Reaktion auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen (Violence Against Women and Girls – VAWG) konzentriert haben – diese Maßnahmen machen 71 Prozent aller identifizierten Aktionen aus. Das sind 704 Maßnahmen in 135 Ländern. Davon konzentrieren sich 63 Prozent auf die Stärkung grundlegender Dienste wie Schutzräume, Beratungsstellen und andere Meldemechanismen. Allerdings haben nur 48 Länder – also weniger als ein Viertel der analysierten Länder – VAWG-bezogene Dienste als integralen Bestandteil ihrer nationalen und lokalen COVID-19-Reaktionspläne behandelt. Und nur sehr wenige davon finanzieren diese Maßnahmen angemessen.

In der Zwischenzeit waren die Maßnahmen in den Bereichen Sozialschutz, Betreuungskrise und Beschäftigung weitgehend blind für die Bedürfnisse von Frauen. Nur 177 Maßnahmen (10 Prozent der Gesamtzahl) in 85 Ländern zielten explizit auf die Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit von Frauen ab, und weniger als ein Drittel der Länder (insgesamt 60) ergriffen Maßnahmen zur Unterstützung unbezahlter Betreuung und zur Stärkung der Betreuungsdienste für Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen.

Der Tracker zeigt auch, dass die Gender-Maßnahmen in den einzelnen Ländern und Regionen sehr unterschiedlich sind.

Europa ist führend bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und unbezahlter Pflege – mit einem Anteil von fast 32 Prozent aller Maßnahmen gegen Gewalt und 49 Prozent aller Maßnahmen gegen unbezahlte Pflege. Der amerikanische Kontinent hat die größte Anzahl von Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit von Frauen, gefolgt von Afrika.

Einige positive Beispiele:

  • Bosnien-Herzegowina hat einen Plan zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die Schutzräume betreiben, entwickelt; und in Kolumbien und Schweden wurden bzw. werden finanzielle Mittel zur Unterstützung von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt bereitgestellt.
  • Als Reaktion auf den Betreuungsnotstand hat Argentinien die monatlichen Kindergeldzahlungen erhöht; Australien und Costa Rica haben sichergestellt, dass Kinderbetreuungseinrichtungen während der Schließung geöffnet bleiben; Österreich, Zypern und Italien haben betroffenen berufstätigen Eltern zusätzlichen Familienurlaub gewährt; Kanada, Spanien und die Republik Korea haben Geldleistungen für Eltern eingeführt, die von Schul- und Kita-Schließungen betroffen sind.
  • Länder wie Togo, Georgien und Marokko bieten Bargeldtransfers oder Zuschüsse für Unternehmerinnen und informelle Händlerinnen.

Empfehlungen auf der Grundlage der Tracker-Ergebnisse

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass selbst dort, wo Länder eine beeindruckende Anzahl von geschlechtersensiblen Maßnahmen ergriffen haben, diese nur dann wirksam sein werden, wenn sie angemessen finanziert und über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden.

Weitere Empfehlungen umfassen:

  • Dienste zur Reaktion auf und Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen müssen als wesentliche Dienste behandelt werden. Darüber hinaus sollten sie angemessen finanziert werden und ein integraler Bestandteil der nationalen und lokalen COVID-19-Reaktionspläne sein;
  • Steuerpakete müssen entwickelt werden, um sicherzustellen, dass Frauen nicht von der Reaktion auf die Pandemie und der anschließenden Erholung ausgeschlossen werden; und
  • Regierungen müssen die aktive Beteiligung von Frauen an Führungs- und Entscheidungsprozessen bezüglich ihrer Antwort auf COVID-19 unterstützen und in nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten investieren, um sicherzustellen, dass die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Pandemie erkannt und effektiv angegangen werden.

Für weitere Informationen

  • Hier finden Sie den COVID-19 Global Gender Response Tracker. Er basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen, einschließlich offizieller Dokumente, Umfragen unter UN Women und UNDP-Experten weltweit, und stützt sich auf andere COVID-19 Policy Tracker.
  • Ein globales sowie sechs regionale Factsheets mit detaillierten Informationen zu den Tracker-Ergebnissen finden Sie auf dieser Webpage.

Foto von UNDP Administrator Achim Steiner: David Fisher/Oxford Martin School

Foto von UN Women Exekutivdirektorin Phumzile Mlambo-Ngcuka: Kea Taylor/Imagine Photography